Schweiz weitet Sanktionen gegen Russland aus – zum eigenen Nachteil
Im Rahmen der westlichen Sanktionspolitik blockierte die Schweiz kürzlich weitere 1,6 Milliarden Franken russischer Vermögenswerte. Vor diesem Hintergrund sinken die nicht sanktionierten Bankeinlagen.
Von Alex Männer
An dem vor knapp drei Jahren eingeführten Sanktionsregime gegen Russland durch den kollektiven Westen beteiligen sich inzwischen mehr als 50 Länder, die bislang annähernd 19.000 Wirtschafts- und Handelsbeschränkungen gegen Moskau verhängt haben sollen. Die meisten dieser Länder sind bekannt für ihre antirussische Haltung. Allerdings sind in diesen „Sanktionskrieg“ auch jene Staaten involviert, die Russland zuvor kaum oder gar nicht sanktioniert haben.
Dazu gehört unter anderem die Schweiz, die sich aufgrund ihrer Neutralität aus internationalen Konflikten eigentlich immer rausgehalten hat. Angesichts der raschen Ausweitung der Restriktionen gegen Russland im Frühjahr 2022 rückte die politische Führung der Schweiz den neutralen Status ihres Landes allerdings in den Hintergrund und übernahm die besagten Strafmaßnahmen.
Ende Februar 2022 – also nur wenige Tage nach dem Beginn des Ukraine-Krieges – erließ der Schweizer Bundesrat die entsprechenden Verordnungen, die die auf den Schweizer Konten befindenden russischen Finanzmittel betreffen und die Transaktionen mit diesen Geldern untersagen. Im weiteren Verlauf wurden aber auch andere Vermögenswerte gesperrt. Laut aktuellen Angaben der Schweizer Behörden summierten sich die in der Schweiz blockierten Vermögenswerte russischer Staatsbürger Ende März 2025 auf 7,4 Milliarden Franken (etwa acht Milliarden US-Dollar).
Aus den Angaben geht ebenfalls hervor, dass dieser Wert in den vergangenen 12 Monaten um etwa 30 Prozent anstieg, nachdem im März weitere 1,6 Milliarden Franken gesperrt wurden. Demnach sind derzeit 1859 Personen sowie 541 Unternehmen und Organisationen aus Russland mit Sanktionen belegt. Neben Geldbeträgen sind auch 14 Liegenschaften sowie Flugzeuge, Sportautos, Kunstwerke und andere Luxusgüter gesperrt.
Nicht zu vergessen sind die in der Schweiz gehaltenen Reserven und Vermögenswerte der russischen Zentralbank in der Höhe von 7,45 Milliarden Franken, die seit März 2022 ebenfalls eingefroren sind. Anders als in der Europäischen Union, wo die Zinseinnahmen aus eingefrorenen Vermögen zur Unterstützung der Ukraine genutzt werden, können die Schweizer aufgrund der Gesetzeslage keine derartigen Maßnahmen ergreifen.
Negativfolgen für den Bankensektor
An dieser Stelle ist zu betonen, dass die Schweiz dank ihres neutralen Status auf der internationalen Bühne sowie ihres lukrativen Geschäftsmodells im Bankenbereich eigentlich als ein sicherer Hafen für Anleger aus aller Welt galt und durch ihr Vorgehen gegen Russland unlängst die Negativfolgen dieser Politik zu spüren bekam.
So ist die Schweiz in erster Linie für die russischen Investoren zunehmend unattraktiv geworden. Viele Russen mussten ihre Gelder in andere Länder transferieren oder wurden aufgrund von Risikoabwägungen von den Banken zur Beendigung ihrer Geschäftsbeziehungen gedrängt. Nach Angaben der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) sanken die nicht sanktionierten russischen Bankeinlagen in den vergangenen Jahren von mehr als 46 Milliarden auf knapp 13 Milliarden Franken. Dabei wurden einst bis zu 150 Milliarden Franken russischer Gelder in der Schweiz verwaltet.
Allerdings haben auch Anleger aus anderen Ländern Bedenken, (weiterhin) mit dem Schweizer Bankensektor zu kooperieren. Vor allem die Chinesen hatten die Entscheidung Berns, die antirussischen Sanktionen mitzutragen, sehr negativ aufgenommen. Dazu berichtete The Financial Times 2023, dass zahlreiche chinesische Anleger wegen der Sanktionen ihr Vertrauen in das Schweizer Modell verloren hätten und ihr Geld darum nicht mehr bei einer Bank in der Schweiz anlegen wollten. Der Zeitung zufolge sollen die Banken sogar Strategien durchgespielt haben, wie sie mit einer möglichen Verschlechterung der Beziehungen zu China umgehen könnten. Außerdem befürchtete man, dass auch Investoren aus anderen Teilen der Welt dem chinesischen Beispiel folgen könnten und ihr Geld nicht mehr auf ein Bankkonto in der Schweiz bringen würden.
Die Befürchtung, dass die Schweiz als das wichtigste internationale Vermögensverwaltungszentrum weiter an Boden verlieren würde, ist zwar eingetreten, jedoch ist der Hauptgrund dafür nicht das Sanktionsregime, sondern der Untergang der Schweizer Großbank Credit Suisse. (Am 19. März 2023 ordnete die Schweizer Regierung eine Notfusion der beiden größten schweizerischen Banken Credit Suisse und UBS an, um eine internationale Finanzkrise durch einen drohenden Ausfall der Credit Suisse abzuwenden.)
Das Branchenportal Watson meldete dazu im vergangenen Jahr, dass die durch die Credit-Suisse-Krise verursachten Kapitalabflüsse dazu beigetragen hätten, dass der Vorsprung der Schweiz vor den USA und Großbritannien weiter geschrumpft und nur noch äußerst knapp sei. Auch die NZZ konstatierte, dass die Schweizer Banken wegen der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS bei den Anlegern aus Asien an Vertrauen verloren hätten. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Schweiz künftig durch Hongkong oder Singapur als führender Offshore-Finanzplatz abgelöst werden könnte.
Banken-Krise hin oder her: Es ist nicht zu bestreiten, dass das Vorgehen gegen die russischen Finanzen dem Schweizer Bankensektor enorm geschadet hat und deshalb wohl kaum den Interessen der Schweiz entsprechen kann. Allein wenn man den Reputationsverlust bedenkt, der im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen entstanden ist. Dabei hatten die Kritiker doch schon 2022 davor gewarnt, sich an den Straffmaßnahmen zu beteiligen. Weil die Schweiz dadurch am Ende eben selbst finanziell hart getroffen werden würde.
Titelbild: Flagge der Schweiz © Norbert Neetz/Imagio