Globale Lebensmittelversorgung: Russland steigert Weizenexporte nach Afrika
Ungeachtet der Sanktionen im Agrarsektor kann Russland seine Exporte von Getreide weiter erhöhen. Davon profitieren vor allem die Länder Afrikas, die von einer Nahrungsmittelknappheit betroffen sind.
Von Alex Männer
In der Frage der globalen Nahrungsmittelversorgung macht der Westen bekanntlich Russlands Militärintervention in der Ukraine für die Lebensmittelknappheit in Afrika verantwortlich. Dafür wurde unter anderem das Narrativ von der sogenannten „globalen Nahrungsmittelkrise“ geschaffen, die hauptsächlich dadurch verursacht worden sein soll, weil vor allem die Ukraine etwa 20 Million Tonnen Weizen aufgrund der russischen Invasion nicht auf den Weltmarkt bringen könne.
Ausgehend davon forderte man von Moskau lautstark, für einen sicheren Korridor für die ukrainischen Ausfuhren von Getreide zu sorgen, damit diese Nahrungsmittel die Menschen Afrika erreichen können.
Das besagte Narrativ ist aber zumindest diskussionswürdig, weil Russland offensichtlich weder zu Beginn seiner Intervention noch zu einem anderen Zeitpunkt das Ziel verfolgte, den ukrainischen Getreideexport (per Schiff) zu blockieren. Ein Hauptproblem bestand dabei eher darin, dass die ukrainischen Häfen im Schwarzen Meer in den ersten Kriegsmonaten durch ukrainische Minen blockiert waren und die Schiffstransporte aus der Ukraine somit kaum möglich waren.
Außerdem belegen die offiziellen Zahlen, dass der Ausfall der ukrainischen Exporte von Weizen, das per Schiff transportiert werden sollte, definitiv nicht der Hauptgrund für eine globale Lebensmittelknappheit sein konnte. Denn das erwartete Exportvolumen der Ukraine im Jahr 2022 in Höhe von etwa 20 Millionen Tonnen Weizen machte weniger als zehn Prozent des weltweiten Weizenexports aus. Abgesehn davon entsprach diese Menge im Vergleich zu den etwa 780 Millionen Tonnen Weizen, die im Jahr 2021 von allen Ländern produziert wurden, eher einem Bruchteil der globalen Weizenmenge. Wobei man auch nicht vergessen darf, dass der Weizen nur einen Teil des gesamten Nahrungsmittelverbrauchs der Weltbevölkerung ausmacht.
Wie dem auch sei, um den Export aus der Ukraine zu ermöglichen, einigte man sich auf das sogenannte „Getreideabkommen“, das zwischen Russland, der Türkei, der Ukraine und den Vereinten Nationen im Juli 2022 unterzeichnet wurde. Diese Vereinbarung, die im Verlauf nicht verlängert wurde und nach 12 Monaten ausgelaufen ist, sah unter anderem die Ausfuhren von ukrainischem Getreide, Lebensmitteln sowie Dünger aus den ukrainischen Schwarzmeer-Häfen entlang eines sicheren Seekorridors vor. Weil der Deal jedoch eine mehrteilige Initiative darstellte, beinhaltet der zweite Teil dieses Vertrages die aus russischer Sicht wichtigen Zugeständnisse des Westens. Dazu zählt zum Beispiel eine Aufhebung des Verbots der russischen Getreide- und Düngemittelexporte, die Aufhebung bestimmter Sanktionen im Bankensektor oder beim Import von Landmaschinen.
Allerdings ist der zweite Teil des Getreidedeals überhaupt nicht realisiert worden. Zudem wies Moskau in dieser Frage wiederholt darauf hin, dass die westlichen Länder den größten Teil des ukrainischen Getreides selbst importieren würden, anstatt es den bedürftigen Ländern Afrikas zu überlassen.
Weizenexport nach Afrika
Angesichts dessen erhöht Russland seinerseits die Ausfuhren von Weizen und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen in viele afrikanische Länder, für die die russischen Lieferungen zur Aufrechterhaltung der Nahrungssicherheit unverzichtbar sind.
So geht aus den aktuellen russischen Behördenangaben hervor, dass die Weizenlieferungen nach Nigeria im vergangenen Jahr um das Vierfache auf 210.000 Tonnen zunahmen. Die Einfuhren von Weizen nach Tunesien stiegen um 78 Prozent auf 191.000 Tonnen, die nach Marokko um 72 Prozent auf 147.000 Tonnen und die nach Mosambik um das Zwölffache auf 74.000 Tonnen.
Den Angaben nach erhöhte sich der russische Getreideexport nach Afrika 2024 gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozent und erreichte dabei einen Wert von mehr als sieben Milliarden US-Dollar. Fast 90 Prozent der Lebensmittellieferungen entfielen auf Weizen, Gerste und Mais. Auch die Ausfuhr von Milchprodukten verzeichnete ein deutliches Wachstum. Beliefert werden dabei insgesamt 45 Länder des Kontinents, wobei Ägypten, Algerien und Libyen zu den größten Importeuren zählen.
Im Zusammenhang mit der Lebensmittelknappheit in Afrika ist ebenfalls anzumerken, dass Russland zuvor mehrfach kostenloses Weizen in diverse bedürftige afrikanische Länder geliefert hatte. Zum Beispiel erhielten Burkina Faso, Eritrea, Mali, Simbabwe, Somalia und die Zentralafrikanische Republik im Jahr 2023 etwa 200.000 Tonnen Getreide aus Russland. Abgesehen von den an humanitären Aktionen setzt Moskau alles daran, seinen Verpflichtungen aus Handelsverträgen für den Export von landwirtschaftlichen Produkten und Düngemitteln nachzukommen. Was mit Blick auf die antirussischen Sanktionen teilweise mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist.
Titelbild: Weizenkörner / Marek Studzinski via Unsplash