BRICS-Staaten wollen eigene Getreidebörse eröffnen
Die BRICS-Staaten haben bekanntlich einen erheblichen Anteil am globalen Handel und wollen Dank ihrer Schlüsselrolle auf dem Weltmarkt für Getreide eine eigene Getreidebörse gründen.
Das inzwischen 16. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Vereinigung BRICS, das vom 22. bis 24. Oktober unter Moskaus Vorsitz im russischen Kazan stattfand, war nach einhelliger Meinung der Experten ein voller Erfolg. Demnach konnte die Staatengruppe ihre zentrale Bedeutung für eine neue gerechte Weltordnung erneut unterstreichen und die Positionierung der Schwellenländer auf der internationalen Bühne weiter stärken.
Dies verdeutlicht etwa die erfolgreiche Einbeziehung der neuen Mitglieder Äthiopien, Ägypten, den Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate in den von Brasilien, Russland, Indien China und Südafrika gegründeten Block. Diese Vertreter Afrikas und Asiens traten BRICS bereits im Januar offiziell bei und sind für die mltilaterale Zusammenarbeit des Blocks seitdem eine enorme Bereicherung.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das gemeinsame Potenzial der BRICS-Gruppe, die mit etwa vier Milliarden Einwohnern fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung bildet, durch die Erweiterung auf zehn Länder ebenfalls deutlich gesteigert worden: Der Anteil der BRICS am kaufkraftbereinigten globalen Bruttoinlandsprodukt liegt heute schon bei mehr als 35 Prozent. Ihr Anteil am weltweiten Handel wird derzeit auf etwa 23 Prozent geschätzt.
Schlüsselrolle auf dem Getreidemarkt
Im Wirtschafts- und Handelsbereich ist die außerordentliche Rolle der BRICS heute daher nicht mehr von der Hand zu weisen. Zum Beispiel im Agrarsektor, wo die Staatengruppe Experten zufolge fast 45 Prozent der globalen Getreideproduktion und etwa 25 Prozent des weltweiten Getreideausfuhren auf sich vereint und deshalb eine gemeinsame Getreidebörse gründen will. Damit sollen die Rahmenbedingungen beim Handel mit Getreide dahingehend verändert werden, dass die Schwellenländer unter anderem auf die Preisbildung diverser Getreidekulturen einen entscheidenden Einfluss nehmen und das globale Geschäft mit Getreide gerechter machen können.
Gegenwärtig haben die BRICS-Länder jedoch keine Möglichkeit, die Preise für solche landwirtschaftlichen Produkte wie Weizen, Gerste und Mais, die für die Ernährungssicherheit und die Wirtschaft der Schwellenländer übrigens von zentraler Bedeutung sind, maßgeblich zu beeinflussen. Stattdessen werden die Weltpreise für diese Kulturen im Westen gebildet und auch dort beeinflusst.
Russlands Getreide-Initiative
Als Reaktion darauf und mit Blick auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der BRICS-Länder hatte Russland bereits vor Monaten vorgeschlagen, eine eigene und einheitliche FinanziInfrastruktur zu schaffen, so dass zwischen den Unternehmen der Vereinigung der Handel an einer alternativen und vom Westen unabhängigen Börse stattfinden kann. Die Russen verwieses dabei auf ihr Know-how bei der Schaffung moderner und zuverlässiger Börsenplätze sowie auf ihre Erfahrung bei Börsengeschäften, die unter Verwendung der nationalen Währungen der BRICS-Mitglieder abgewickelt wurden.
Während der Gespräche in Kazan hatte der russische Präsident Wladimir Putin dann vorgeschlagen, die Schaffung der BRICS-Getreidebörse voranzubringen. Er betonte, dass die Eröffnung einer gemeinsamen Getreidebörse dazu beitragen werde, „gerechte Indikatoren für Getreidepreise auf internationaler Ebene zu bilden, nationale Märkte vor negativen äußeren Einwirkungen, Spekulationen und Versuchen, ein künstliches Lebensmitteldefizit zu provozieren, zu schützen.“
Gemeinsame Plattform für Getreide- und Rohstoffhandel
Die anderen neun BRICS-Staaten begrüßten diese Initiative der russischen Seite und verpflichteten sich gemeinsam mit Russland dazu, im Rahmen ihrer Partnerschaft eine Getreide- und Rohstoffhandelsplattform zu schaffen und sie weiterzuentwickeln. Damit diese nach Möglichkeit alle Agrarbereiche umfassen kann.
In der verabschiedeten Abschlusserklärung der Konferenz heißt es dazu: „Wir verpflichten uns, den regelbasierten Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Düngemitteln zu fördern und Störungen zu minimieren, um eine kontinuierliche Versorgung mit Nahrungsmitteln und Anlagevermögen für die Landwirtschaft sicherzustellen, die vor ungesetzlichen, nicht mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) übereinstimmenden wirtschaftlichen restriktiven Maßnahmen geschützt werden müssen, einschließlich derjenigen, die die Produzenten und Lieferanten von landwirtschaftlichen Produkten sowie kommerzielle Dienstleistungen im internationalen Transportbereich betreffen.“
Die Schaffung einer Getreidebörse stellt somit ein weiteres ambitioniertes Projekt der BRICS dar, dessen Umseztung die Anstrengungen aller Mitglieder der Vereinigung erfordern wird. Sollten alle organisatorischen Probleme gelöst und die Getreidebörse schließlich eröffnet werden, dann könnte man sie mit der Zeit sogar in eine vollwertige Warenbörse umwandeln. Davon geht zumindest die russische Führung schon heute aus. Ob diese Idee gerechtfertigt ist, werden die kommenden Jahre zeigen.
Titelbild: Jonas Zürcher/Unsplash